Experten-Interview

Wenn wir unser Verhalten ändern, ändert sich auch der Schmerz

Dr. Regine Klinger
Dr. Regine Klinger (Bild) ist Leiterin der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Verhaltenstherapie, Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Hamburg. Sie arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich als psychologische Schmerztherapeutin (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, DGSS; Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung) und Supervisorin. Ihr Forschungsschwerpunkt sind chronische Kopf- und Rückenschmerzen.

Frage:

Verhaltenstherapeuten helfen doch, Ängste zu überwinden, zum Beispiel Höhenangst oder Platzangst. Wie kann denn Verhaltenstherapie bei chronischen Schmerzen helfen?

Dr. Klinger:

Der Umgang mit Schmerzen trägt ganz wesentlich dazu bei, wie wir Schmerzen empfinden. Wenn wir unser Verhalten ändern, ändert sich auch der Schmerz.

Frage:

Nach dem Motto: Tu einfach was anderes und der Schmerz geht weg?

Dr. Klinger:

Ganz so einfach ist es nicht, aber im Kern ist diese Aussage richtig. Patienten mit chronischen Schmerzen haben Verhaltens- und Empfindungsmuster ausgebildet, die das Schmerzerleben begünstigen. Diese Muster gilt es zu durchbrechen, um aus dem Schmerzkreislauf auszusteigen.

Frage:

Verhalten ändern, das kann man sich leicht vorstellen, aber Empfindungen? Darauf hat man doch keinen Einfluss. Wenn es wehtut, tut es nun mal weh, oder?

Dr. Klinger:

Richtig, aber wenn Sie erwarten, dass es wehtun wird, werden Sie die Schmerzen stärker empfinden. Ihre Gedanken bestimmen also mit, wie stark es wehtut. Und: Je öfter Sie einen Schmerz erwarten und dann auch empfinden, umso empfindsamer werden Sie. Nach dem bisherigen Stand der Hirnforschung kann man sagen, dass sich dieser Verstärkungskreis im Gehirn förmlich einbrennt und eine Gedächtnisspur bildet.