Harninkontinenz Behandlung

Aus der Anamnese (Schilderung des Patienten) und gezielter Diagnostik (etwa Röntgenaufnahme, Ultraschall oder Spiegelung von Harnblase und Harnröhre) muss der Arzt die Ursache für die Harninkontinenz ermitteln. Um einen Harnwegsinfekt als Ursache einer Harninkontinenz auszuschließen, erfolgt eine mikroskopische und bakteriologische Untersuchung des Urins (Harnanalyse).

Die medikamentöse Therapie einer Harninkontinenz ist abhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Erkrankungen der Harnblase oder der Harnröhre wie chronische Entzündungen, Blasensteine, Tumoren oder eine Vergrößerung der Prostata beim Mann (Prostatahyperplasie) müssen entsprechend behandelt werden. In diesen Fällen verschwindet mit der Beseitigung der auslösenden Faktoren meist auch die Inkontinenz:
  • Bakterielle Harnwegsinfektionen lassen sich mit dem Antibiotikum Cefaclor bekämpfen.
  • Bei Harninkontinenz als Folge einer gutartigen Vergrößerung der Prostata beim Mann kann in vielen Fällen eine deutliche Linderung der Beschwerden durch Phytosterin-haltige Medikamente erreicht werden. Beispiele sind pflanzliche Präparate, die Kürbissamen, Brennnesselwurzel, Sägepalmenfrüchte oder die Wurzelknolle von Hypoxis rooperi enthalten. Als chemisches Medikament steht Tamsulosin zur Verfügung.
Außerdem kommen bei Harninkontinenz zum Einsatz:
  • Zur Behandlung einer Harnblasenmuskelschwäche werden die Muscarinrezeptor-Antagonisten Trospiumchlorid und Tolterodin eingesetzt.
  • Um die Blasenmuskulatur zu entkrampfen, stehen Dantrolen sowie die Spasmolytika Oxybutyninhydrochlorid und Propiverinhydrochlorid zur Verfügung.
  • So genannte Alpha-Adrenergika können bei vorliegender Stressinkontinenz mit gestörtem Verschlussmechanismus eingesetzt werden, um den Verschlussdruck in der Harnröhre zu erhöhen. Da diese Medikamente allerdings zu bestimmten Nebenwirkungen wie Blutdruckerhöhung und Steigerung der Herzfrequenz führen, sind sie vor allem bei älteren Patienten nur bedingt einsetzbar. Darüber hinaus zeigen sie nur kurzzeitige Wirkungen hinsichtlich der Inkontinenzproblematik.
  • Durch den Wirkstoff Desmopressin gibt die Niere Wasser an den Körper zurück. Der Harndrang lässt nach.
  • Das Östrogen Estriol erhöht die Durchblutung der Harnröhre und verbessert die Druckübertragung vom Bauch auf Blase und Harnröhre. Es wird deshalb in bestimmten Fällen lokal als Zäpfchen oder Vaginalcreme verabreicht.
  • Bei Kindern ab fünf Jahren kann bei nächtlicher Harninkontinenz der Wirkstoff Imipramin eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva. Er sollte jedoch nur im Rahmen eines gesamttherapeutischen Konzeptes verabreicht werden.
  • Bei der Dranginkontinenz kann der Wirkstoff Solifenacinsuccinat verordnet werden. Dadurch wird eine Pollakisurie, also das häufige Wasserlassen kleiner Portionen, vermindert.
  • Bei der Belastungsinkontinenz wird seit kurzer Zeit der Wirkstoff Duloxetin eingesetzt. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der Serotonin- und Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer. Bei körperlicher Belastung bewirkt er während der Harnspeicherungsphase einen stärkeren Verschluss der Harnröhre.
Neben der medikamentösen Behandlung stehen weitere physiotherapeutische Möglichkeiten zur Verfügung, um die Blasenschwäche zu bekämpfen:
  • Bei Stressinkontinenz ist ein spezielles Training zur Kräftigung der Beckenboden-, Bauch- und Gesäßmuskulatur zu empfehlen (Beckenbodengymnastik). Die Übungen werden zunächst unter Anleitung eines geschulten Physiotherapeuten erlernt und sollen später von den Betroffenen in Eigenregie weitergeführt werden. Neuere Studien zeigen, dass regelmäßiges Training der Beckenbodenmuskulatur sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu einer deutlichen Verringerung von Inkontinenzproblemen führen kann.
  • Die Elektrostimulation (Schwellstrombehandlung) zur Anregung der muskulären Verschlussmechanismen von Blase und Harnröhre ist eine gute Ergänzung der Beckenbodengymnastik.
  • Vor allem bei leichteren Formen der sensorischen Dranginkontinenz kann die Methode des Biofeedbacks eingesetzt werden. Hierbei erhalten die Betroffenen während der Therapiesitzung über einen Monitor Rückmeldungen über ihre Muskelanspannungen im Beckenbodenbereich und erlernen so, den Harndrang besser zu kontrollieren.
  • Sitzbäder, Wechselstrahlduschen auf die Becken- und Bauchregion und Saunagänge mit anschließendem kalten Strahlduschen auf Becken- und Bauchregion gehören ebenfalls zum physiotherapeutischen Behandlungsprogramm.
Besteht eine Harninkontinenz, braucht der Betroffene spezielle Hilfsmittel, um trotz allem am sozialen Leben teilnehmen zu können. Herkömmliche Slipeinlagen, Damenbinden oder Windeln sind dabei völlig ungeeignet. Die speziellen Inkontinenzhilfen (Einlagen, Slips und Windelhosen) sind so hergestellt, dass sie auch größere Mengen Urin aufnehmen können und Geruchsbildung vermeiden. Wichtig ist dabei, dass Hautreizungen durch die Materialien und den Urin vermieden werden. Inkontinenzeinlagen werden in unterschiedlichen Passformen hergestellt und können an der normalen Unterwäsche fixiert werden. Sie enthalten meist ein spezielles Gel, das die Flüssigkeit aufsaugt und die oberste Schicht der Einlage trocken hält. Inkontinenzslips und Windelhosen werden wie Unterhosen getragen und sind in unterschiedlichsten Größen und Ausführungen im Gesundheitsfachhandel erhältlich.