Thrombozytenaggregationshemmer Wirkungsweise

Thrombozyten sind Blutplättchen, also normale Bestandteile des Bluts. Die Aufgabe der Blutplättchen ist es, blutende Wunden sehr rasch wieder zu verschließen und so den Blutverlust zu begrenzen. Dazu können sich Thrombozyten zusammenlagern (Thrombozytenaggregation) und mit Gerinnungsstoffen im Blut regelrecht verklumpen. Arzneistoffe, die diesen Vorgang hemmen, sind die sogenannten Thrombozytenaggregationshemmer. Neben dem Mineralstoff Calcium und anderen körpereigenen Gerinnungsstoffen sind zahlreiche Bindungsstellen (Rezeptoren) an den Plättchen selbst am Vorgang der Plättchenverklumpung beteiligt.

In gewissen Fällen ist die "verklumpende" Eigenschaft der Thrombozyten unerwünscht. Wenn sich nämlich Thrombozyten in den Blutgefäßen wichtiger Organe zusammenlagern und diese verstopfen, kann es zum Beispiel zu einem Schlaganfall oder zu einem Herzinfarkt kommen. Das Zusammenlagern der Plättchen untereinander und beim Binden an die Wände der Blutgefäße erfordert eine Vielzahl von Einzelschritten. In diesen vielstufigen Prozess greifen die Untergruppen der Thrombozytenaggregationshemmer an verschiedenen Stellen ein:
  • Thrombozyten benötigen zur Zusammenlagerung den Stoff Thromboxan A2. Dieser wird von ihnen selbst mittels des Enzyms Cyclooxygenase gebildet. Substanzen wie die Acetylsalicylsäure blockieren dieses Enzym. Dadurch verlieren die im Blut zirkulierenden Plättchen für ihre Lebenszeit von etwa einer Woche die Fähigkeit sich zusammenzuballen. Nach ungefähr einer Woche sind alle Thrombozyten im Blut, die sich auf Grund der Wirkung von Acetylsalicylsäure nicht mehr zusammenlagern konnten, ausgetauscht.
  • Die Zusammenballung der Blutplättchen ist ein Prozess, der Energie verbraucht. Diese Energie beziehen die Thrombozyten aus dem Energieträger Adenosindiphosphat (ADP), der sich dazu an einen speziellen Rezeptor der Blutzellen heften muss. Die so genannten ADP-Hemmer Clopidogrel und Ticlopidin verhindern mit ihren Abbauprodukten die Anbindung von ADP an die Blutplättchen und damit die Übertragung von Energie. Außerdem blockieren die ADP-Hemmer die Bindung von Fibrinogen, einem wichtigen Gerinnungsfaktor, an die Blutplättchen. Die beiden Wirkstoffe dieser Gruppe werden eingesetzt, wenn man Acetylsalicylsäure nicht verträgt oder wenn sie nicht ausreichend wirkt.
  • Phosphodiesterasehemmer wie Cliostazol hemmen den Abbau des Moleküls cycloAMP, das die Blutplättchenzusammenballung verhindert und die Gefäße erweitert.
  • Der Wirkstoff Dipyridamol verhindert die Aufnahme der körpereigenen Substanz Adenosin in die Blutplättchen. Dadurch werden sie unempfindlicher gegen die Anreize zur Verklumpung, die zum Beispiel von dem Plättchen-aktivierenden Faktor (PAF) oder Kollagen ausgehen.
Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Ticlopidin und Cilostazol sowie Dipyridamol können oral (also als Tablette oder Kapsel) eingenommen werden. Die Wirkungen von Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Ticlopidin und Cilostazol halten auch nach Abbruch der Therapie bis zu einer Woche an. Operationen dürfen also frühestens sieben Tage nach Behandlungsende stattfinden, um das Risiko für schwere Blutungen durch die noch vorhandene Wirkung der drei Thrombozytenaggregationshemmer zu vermeiden.
  • Die drei Wirkstoffe Abciximab, Eptifibatid und Tirofiban blockieren sehr wirkungsvoll eine wichtige Plättchenbindungsstelle (Glycoprotein IIb/IIIa) für das Fibrinogen. Sie hemmen zugleich aber auch Bindungsstellen der Blutgefäßwände. Diese Effekte vermeiden sehr nachdrücklich Verklumpungen, erhöhen das Blutungsrisiko allerdings deutlich. Alle Substanzen dieser Gruppe sind nicht säurefest und würden im Magen-Darm-Trakt nach Einnahme zersetzt. Daher müssen sie direkt in die Vene gespritzt werden oder als Infusion gegeben werden. Sie sind sehr stark wirksame Notfallmedikamente, die nur in der Klinik angewendet werden können. Ihre Wirkung endet weitgehend etwa zwölf Stunden nach Infusionsende. Allerdings ist eine Teilwirkung auch bei ihnen noch etwa eine Woche lang vorhanden.
Da alle Thrombozytenaggregationshemmer auch den normalen Wundverschluss beeinträchtigen, können sie selbst bei kleinen Verletzungen schwere Blutungen auslösen.