Orale Antidiabetika Wirkungsweise

Die oralen Antidiabetika greifen an unterschiedlichen Stellen in den Zuckerstoffwechsel ein:
  • Biguanide, von denen heute nur noch das Metformin im Einsatz ist, verzögern die Zuckeraufnahme ins Blut, hemmen die Freisetzung von Zucker aus seiner Speicherform und verhindern die körpereigene Zuckerproduktion in der Leber. Im Körpergewebe verbessern sie die Energiegewinnung aus dem Zucker. Dadurch sinken die Blutzuckerwerte und gleichzeitig haben die Körperzellen mehr Energie zur Verfügung.
  • Glitazone verbessern die Empfindlichkeit der Zellen gegen Insulin. Dazu gehören zum Beispiel Pioglitazon und Rosiglitazon. Diese Stoffe haben keinen Einfluss auf die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse. Der Wirkmechanismus sieht anders aus: Nachdem die Glitazone in die Körperzellen gelangt sind, aktivieren sie am Zellkern den so genannten PPAR-Gamma-Rezeptor (peroxisomal proliferator activated gamma receptor). Dieser Rezeptor spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung des Zucker-, aber auch des Fettstoffwechsels. Seine Aktivierung bewirkt eine vermehrte Bildung von Eiweißstoffen, die den Zuckertransport in die Zellen fördern. Damit wirken Glitazone der Rezeptor-Unempfindlichkeit (Insulinresistenz) entgegen. In der Leber wird durch die Glitazone zudem der Zuckeraufbau vermindert und der Zuckerabbau gefördert, das Fettgewebe nimmt durch die Einwirkung der Glitazone vermehrt freie Fettsäuren in die Zellen auf. Dadurch sinkt als zusätzlicher Effekt der Blutfettspiegel, was bei Diabetikern sehr erwünscht ist.
  • Sulfonylharnstoffe und Abkömmlinge wie Glibenclamid, Glimepirid, Gliclazid, Gliquidon, Glibornurid, Tolbutamid und die so genannten Glinide Nateglinid und Repaglinid regen die Bauchspeicheldrüse zu einer vermehrten Insulinproduktion an. Dabei erregen Sulfonylharnstoffe die Betazellen der Langerhans´schen-Inseln in der Bauchspeicheldrüse und fördern so indirekt die Freisetzung von Insulin. Sie verschließen dazu die Kalium-Kanäle der Betazellen. Dadurch öffnen sich die Kalzium-Kanäle und Kalzium fließt in die Betazellen hinein. Das Kalzium wiederum löst dann die Insulinabgabe in das Blut aus. Übrigens wird bei gesunden Menschen genau über diesen Mechanismus die Insulinausschüttung hervorgerufen. Allerdings öffnet bei Gesunden der Blutzucker selbst die Kalzium-Kanäle.
  • Guar-Präparate und Alpha-Glukosidasehemmer wie Acarbose und Miglitol führen dazu, dass der Zucker langsamer aus dem Darm ins Blut gelangt. Wichtige Bestandteile der Nahrung sind aus Verbindungen vieler Zuckermoleküle aufgebaut. Solche so genannten Mehrfachzucker und Stärkemoleküle werden bei der Verdauung im Dünndarm durch das Enzym Glukosidase in ihre einfachen Zuckermoleküle gespalten. Diese können dann leicht in das Blut aufgenommen und im Körper verteilt werden. Die Blockade des Enzyms durch Arzneistoffe wie die Alpha-Glukosidasehemmer behindert die Aufnahme von Zuckermolekülen in den Körper. Dadurch lassen sich die für den Diabetes mellitus vom Typ 2 charakteristischen und gefährlichen hohen Blutzuckerwerte kurz nach den Mahlzeiten vermeiden. Da die durchschnittlichen Blutzuckerwerte sowie die Menge spezieller Blutfette (Triglyceride) etwas abgesenkt werden, kommt es insgesamt zu einer Verbesserung der Stoffwechsellage. Auch bei Patienten, die Insulin spritzen, können Alpha-Glukosidasehemmer die Therapie unterstützen.
  • Eine neue Gruppe der Antidiabetika sind orale Inkretinverstärker. Dazu gehört der Wirkstoff Sitagliptin. Inkretine sind Hormone, die beim Essen im Dünndarm gebildet werden und eine wichtige Rolle im Zuckerstoffwechsel spielen. Nach der Nahrungsaufnahme und bei steigendem Blutzuckerspiegel wird mehr Insulin freigesetzt und der Blutzuckerspiegel sinkt, zudem kommt es zur Hemmung der Glucagonbildung nach Nahrungsaufnahme und die Zuckerneubildung in der Leber verringert sich. Außerdem verlangsamen Inkretine die Entleerung des Magens und bewirken ein Sättigungsgefühl, die Patienten nehmen weniger Nahrung auf. Dies wirkt sich positiv auf das Übergewicht aus. Bei Diabetes mellitus Typ 2 ist die Bildung der Inkretine vermindert, was sich negativ auf die Regelung des Blutzuckerspiegels auswirkt. Dies wird nun durch den Wirkstoff ausgeglichen und ungewollte Blutzuckerspitzen werden weitestgehend vermieden.
  • Häufig werden auch blutzuckersenkende Wirkstoffe kombiniert, dazu gehören zum Beispiel Glimepirid+Rosiglitazon, Metformin+Pioglitazon, Sitagliptin+Metformin und Metformin+Rosiglitazon.
Eine weitere neue Gruppe sind die so genannten Inkretin-Mimetika mit dem Wirkstoff Exenatide. Dieser Wirkstoff wurde im Speichel des Gilamonsters, einer amerikanischen Echsenart, entdeckt. Gegenüber dem menschlichen Inkretin hat der Wirkstoff den Vorteil, dass er im Körper langsamer abgebaut wird und dadurch länger wirkt. Leider gibt es den Wirkstoff bisher nicht zum Einnehmen sondern nur zur Injektion (zum Spritzen). Aber, trotz der Anwendung als Spritze, handelt es sich um kein Insulin-Präparat.