Lenalidomid Gegenanzeigen

Lenalidomid ist strukturverwandt mit Thalidomid, dem Wirkstoff von Contergan. Daher darf Lenalidomid in keinem Fall von Schwangeren angewendet werden. Gebärfähige Frauen dürfen Lenalidomid nur erhalten, wenn sie konsequent und vollständig eine Schwangerschaft verhüten. Bei einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff darf Lenalidomid ebenfalls nicht eingenommen werden.

Eine besondere ärztliche Abwägung von Nutzen und Risiko muss vor der Anwendung von Lenalidomid erfolgen bei:

  • männlichen Patienten. Lenalidomid wurde während der Einnahme und bis drei Tage nach Behandlungsende in geringen Mengen in der Samenflüssigkeit gefunden. Darum müssen alle männlichen Patienten, die Lenalidomid einnehmen, zwei Voraussetzungen erfüllen:
  1. Sie sind über das zu erwartende Risiko des Ungeborenen aufgeklärt und verstehen die Gefahr, wenn sie mit einer schwangeren oder gebärfähigen Frau sexuell verkehren.
  2. Sie wissen, dass der Gebrauch von Kondomen während der Behandlung und für eine Woche nach Dosisunterbrechung und/oder Behandlungsabbruch erforderlich ist, wenn sie mit einer schwangeren oder gebärfähigen Frau sexuell verkehren, die keine zuverlässige Empfängnisverhütung anwendet (auch wenn sich der Mann einer Vasektomie, also einer Sterilisation, unterzogen hat).
  3. Sie verstehen, dass sie, wenn ihre Partnerin während oder kurz nach Absetzen der Lenalidomid-Behandlung schwanger wird, unverzüglich den behandelnden Arzt informieren müssen. Zur Abklärung und Beratung wird empfohlen, dass die Frau einen Arzt aufsucht, der sich mit Geburtsschäden auskennt (Teratologe).
  • venösen oder arteriellen Verstopfungen (Venen- und/oder Arterienverschlüssen) in der Vorgeschichte. Lenalidomid wird üblicherweise zusammen mit Dexamethason eingenommen. Diese Wirkstoffkombination fördert solche Gefäßverschlüsse, insbesondere tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien sowie Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Behandlung muss bei solchen Patienten engmaschig ärztlich überwacht werden.
  • Neigung zu Blutplättchenmangel sowie zu Mangel an bestimmten bestimmten Abwehrzellen im Blut (Thrombozytopenie und Neutropenie). Lenalidomid fördert - insbesondere zusammen mit Dexamethason kombiniert - diese Mangelzustände. Bei Fieber, aber auch Blutergüssen, Unterhautblutungen und Nasenbluten während der Therapie ist daher sofort ein Arzt zu verständigen. Zur Überwachung des Blutzellen-Zustandes muss der Arzt zu Behandlungsbeginn, während der ersten acht Wochen der Therapie mit Lenalidomid wöchentlich und danach monatlich ein komplettes Blutbild erstellen. Eventuell muss die Lenalidomid-Dosis verringert werden. Mitunter ist es bei einer Neutropenie sinnvoll, Wachstumsfaktoren zu geben.
  • Nierenerkrankungen. Lenalidomid wird über die Nieren ausgeschieden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist es daher wichtig, die Dosis individuell anzupassen. So wird das Risiko von Nebenwirkungen des Blutsystems oder einer Lebervergiftung vermindert. Eine Überwachung der Leberfunktion wird insbesondere empfohlen wenn es gleichzeitig virusbedingte Leberinfektionen in der Vorgeschichte gab oder wenn Lenalidomid in Kombination mit Medikamenten verabreicht wird, die bekanntermaßen die Leberfunktion schädigen.
  • Schilddrüsenunterfunktion. Die Schilddrüsenfunktion sollte während der Behandlung mit Lenalidomid regelmäßig ärztlich überwacht werden.
  • Neigung zu Nervenbeschwerden (Neuropathien) in Armen und Beinen. Lenalidomid ist strukturverwandt mit Thalidomid, das bekanntermaßen schwere Nervenschäden hervorrufen kann. Daher kann auch für Lenalidomid, besonders bei Langzeitanwendung, ein solches Risiko nicht ausgeschlossen werden.
  • Tumorlyse-Syndrom (bei einer Chemotherapie auftretender, sehr schneller Zerfall von Tumorgewebe). Da Lenalidomid krebszerstörend wirkt, kann es zu den Komplikationen eines Tumorlyse-Syndroms kommen. Gefährdet sind Patienten mit einer hohen Tumorlast vor Behandlungsbeginn. Diese Patienten sind vom Arzt engmaschig zu überwachen. Außerdem müssen geeignete Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
  • allergischen Reaktionen. Während der Behandlung wurde über Fälle von allergischen Reaktionen/Überempfindlichkeitsreaktionen berichtet. Patienten, bei denen es bereits einmal aufgrund von Thalidomid zu allergischen Reaktionen kam, sind engmaschig zu überwachen. Bisher ist nicht auszuschließen, ob eine mögliche Kreuzreaktion zwischen Lenalidomid und Thalidomid besteht.
  • schweren Hautreaktionen. Während der Behandlung gab es Fälle von Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxischer epidermaler Nekrolyse (Lyell-Syndrom). Bei Verdacht auf diese Erkrankungen sowie bei ausgeprägten blasigen Hautausschlägen und Hautablösung muss Lenalidomid abgesetzt werden. Danach ist der Wirkstoff nicht erneut anzuwenden. Bei anderen Formen von Hautreaktionen reicht, die Behandlung mit Lenalidomid eventuell nur zu unterbrechen. Patienten mit bekanntem schwerem Hautausschlag in Zusammenhang mit der Anwendung von Thalidomid sollten nicht mit Lenalidomid behandelt werden.
  • erhöhtem Krebsrisiko (sekundäres Primärmalignom, also die Krebsentstehung an zwei oder mehreren Orten). Möglicherweise erhöht Lenalidomid bei multiplem Myelom das Risiko von Basalzell- oder Plattenepithelkarzinome der Haut sowie von Leukämien oder Lymphdrüsenkrebs. Fälle von akuter myeloischer Leukämie wurden an Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom beobachtet, die Lenalidomid entweder in Kombination mit dem Wirkstoff Melphalan oder sofort nach einer hohen Dosis Mephalan und autologer Stammzelltransplantation (ASCT) einnahmen. Ärzte sollten die Patienten vor und während der Behandlung mithilfe der üblichen Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung sorgfältig untersuchen und gegebenenfalls eine Therapie einleiten.
  • Lebererkrankungen. Bei Patienten, die eine Lenalidomid-Behandlung in Kombination mit Dexamethason erhielten, gab es Leberfunktionsstörungen und Fälle von schweren Leberschäden (darunter auch solche mit tödlichem Verlauf), zum Beispiel akute Leberinsuffizienz und verschiedene Hepatitis-Formen. Warum es dazu kommt, ist nach wie vor unbekannt. In manchen Fällen könnten eine vorbestehende virale Lebererkrankung, erhöhte Ausgangswerte der Leberenzyme und möglicherweise eine Antibiotikabehandlung Risikofaktoren sein. Es wurde häufig über abnormale Leberfunktionswerte berichtet, die generell keine Beschwerden machten und nach Therapieunterbrechung zurückgingen. Sobald die Leberfunktionswerte wieder normal sind, kann eine Behandlung mit einer niedrigeren Dosis in Betracht gezogen werden. Während der Behandlung muss die Leberfunktion regelmäßig ärztlich überwacht werden. Eine Überwachung der Leberfunktion wird insbesondere empfohlen:
  1. bei gleichzeitig bestehenden oder in der Vorgeschichte vorkommenden virusbedingten Leberinfektionen
  2. wenn Lenalidomid in Kombination mit Medikamenten verabreicht wird, von denen bekannt ist, dass sie die Leberfunktion stören (wie beispielsweise Paracetamol).

Besondere Hinweise

Patienten mit multiplem Myelom, die mit Lenalidomid in Kombination mit Dexamethason behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko für Gefäßverschlüsse in Arterien und Venen. Dazu gehören hauptsächlich tiefe Venenthrombosen, Lungenembolien, Herzinfarkte und Gefäßverschlüsse im Gehirn (zum Beispiel Schlaganfall). Das gilt in geringem Maße auch für Patienten mit myelodysplastischen Syndromen (speziellen Knochenmarkserkrankungen, bei denen die Blutbildung nicht von gesunden, sondern von genetisch veränderten Ursprungszellen ausgeht). Bei diesen Patienten sind im Hinblick auf diese Risiken engmaschige ärztliche Kontrolluntersuchungen notwendig. Alle beeinflussbaren Risikofaktoren für Gefäßverschlüsse sollen verringert werden (zum Beispiel Raucherentwöhnung sowie Behandlung von Bluthochdruck oder Blutfett-Senkungen).

Wirkstoffe, die die Bildung und Entwicklung der roten Blutkörperchen anregen sowie Wirkstoffe, die das Risiko für Gefäßverschlüsse erhöhen, dürfen nur mit ärztlicher Vorsicht angewendet werden. Eine Thrombose-Prophylaxe wird besonders bei zusätzlichen Risikofaktoren für Gefäßverschlüsse empfohlen. Die Entscheidung hierfür sollte der Arzt für jeden Patienten ­individuell und nach sorgfältiger Beurteilung der zugrunde liegenden Risikofaktoren treffen. Es wird empfohlen, die blutbildungsfördernden Wirkstoffe bei einer Hämoglobin-Konzentration von mehr als 12 Gramm pro Deziliter abzusetzen.

Bei Frauen mit multiplem Myelom, die Lenalidomid und Dexamethason einnehmen sowie bei Frauen mit speziellen Knochenmarkserkrankungen (sogenannten myelodysplastischen Syndromen), die eine Lenalidomid-Monotherapie anwenden, besteht ein erhöhten Risiko für Venenverstopfungen beziehungsweise venösen Gefäßverschlüssen. Aus diesem Grund sollten sie keine Östrogen-Gestagen-Kombinationen zur Verhütung ("Pille") einnehmen. Empfohlen werden stattdessen reine Gestagen-Präparate, Pessare, Hormon-Depots unter der Haut (Implantate) oder eine vorübergehende oder dauerhafte Sterilisation. Das Risiko für venöse Gefäßverschlüsse bleibt für weitere vier bis sechs Wochen nach Absetzen der "Pille" bestehen. Die empfängnisverhütende Wirkung der Pille könnte während einer gleichzeitigen Behandlung mit Dexamethason (der Kombinationspartner bei einer Lenalidomid-Therapie) verringert sein.

Bei einem Gefäßverschluss ist die Lenalidomid-Behandlung abzubrechen und eine Standard-Therapie zur Blutgerinnungshemmung zu beginnen. Sobald sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat und jegliche Komplikationen des Gefäßverschlusses behandelt worden sind, kann die Lenalidomid-Behandlung nach einer entsprechenden ärztlichen Nutzen-Risiko-Beurteilung wieder mit der ursprünglichen Dosis fortgesetzt werden. Die blutgerinnungshemmende Therapie sollte während der Lenalidomid-Behandlung fortgesetzt werden. 

Durch Hormonimplantate und Levonorgestrel-freisetzende Intrauterinpessare erhöht sich das Risiko für Infektionen sowie für unregelmäßige Vaginalblutungen. Besonders bei Patientinnen mit einem Mangel an bestimmten Abwehrzellen im Blut (Neutropenie) sollte deshalb eine vorbeugende Gabe von Antibiotika in Betracht gezogen werden.

Kupfer-freisetzende Intrauterinpessare sind nicht zu empfehlen. Diese gehen mit einem erhöhten Infektionsrisiko während des Einsatzes sowie mit einem Blutverlust während der Menstruation einher. Das könnte Patientinnen mit zu geringen Abwehrzellen und/oder Blutplättchen im Blut (Neutropenie und/oder Thrombozytopenie) gefährden.

Lenalidomid bei Schwangerschaft & Stillzeit

Lenalidomid ist strukturverwandt mit Thalidomid, dem Wirkstoff von Contergan. Thalidomid wirkt bekanntermaßen beim Menschen fruchtschädigend und kann schwere lebensbedrohliche Fehlbildungen verursachen. Ein ebensolcher Effekt von Lenalidomid wurde im Tierexperiment nachgewiesen. Deshalb müssen gebärfähige Frauen vier Wochen vor Beginn der Behandlung mit Lenalidomid und für vier Wochen nach der Behandlung unbedingt zuverlässig verhüten. Das gilt selbst dann, wenn die Einnahme von Lenalidomid unterbrochen wird (zum Beispiel bei einer Einnahmepause). Anderenfalls müssen sie dem Arzt eine absolute und ständige Enthaltsamkeit zusichern, die jeden Monat erneut bestätigt werden muss. Diese Regelung ist hinfällig, wenn die Frau - nach ärztlicher Feststellung - nicht gebärfähig ist. Dabei muss einer der folgenden Punkte vorliegen:

  • Alter über 50 Jahre und seit einem Jahr aus natürlicher Ursache keine Regelblutung mehr (keine Regelblutung nach einer Tumortherapie oder während der Stillzeit schließt eine Gebährfähigkeit NICHT aus)
  • vorzeitiges Ende der Eierstocktätigkeit, bestätigt durch einen Frauenarzt
  • doppelseitige Beseitigung der Eierstöcke und Eileiter oder Gebärmutterentfernung
  • Fehlen äußerer und innerer Geschlechtsmerkmale (angeborenes Fehlen der Gebärmutter) durch eine Chromosomen-Veränderung (XY-Genotyp) oder Turner-Syndrom.

Erfolgt bei gebärfähigen Frauen keine zuverlässige Empfängnisverhütung, muss die Patientin zur Beratung über Empfängnisverhütung an entsprechend ausgebildetes medizinisches Fachpersonal verwiesen werden, damit mit einer Verhütung begonnen werden kann. Die folgenden Methoden sind Beispiele für eine geeignete Empfängnisverhütung:

  • Hormonimplantat
  • Levonorgestrel-freisetzendes Intrauterinpessar (IUP)
  • Depot-Medroxyprogesteronacetat
  • Sterilisation (Tubenligatur)
  • Geschlechtsverkehr ausschließlich mit einem vasektomierten Partner (die Vasektomie ist sozusagen die Sterilisation beim Mann; diese muss durch zwei negative Samenanalysen bestätigt sein)
  • reine Progesteron-Pillen mit eisprunghemmender Wirkung (Desogestrel).

Zum Ausschluss einer Schwangerschaft muss der Arzt bei gebärfähigen Frauen einen Schwangerschaftstest machen. Dieser sollte möglichst zeitnah reagieren und entsprechend empfindlich sein. Diese Vorschrift gilt auch für gebärfähige Frauen, die absolute und ständige Enthaltsamkeit praktizieren. Der Schwangerschaftstest, die Ausstellung des Rezeptes und die Abgabe des Medikaments sollten idealerweise am selben Tag erfolgen.

Lenalidomid-Tabletten sollten gebärfähige Frauen innerhalb von sieben Tagen nach Verschreibung und nach einem ärztlich beaufsichtigten Schwangerschaftstest mit negativem Ergebnis erhalten.

Vor Beginn der Behandlung

Nachdem die Patientin mindestens vier Wochen lang zuverlässig verhütet hat, muss ein medizinisch überwachter Schwangerschaftstest entweder während des Arztbesuches, bei dem Lenalidomid verschrieben wird, oder während der drei Tage vor dem Besuch bei dem verschreibenden Arzt durchgeführt werden. Der Test muss sicherstellen, dass die Patientin nicht schwanger ist, wenn sie die Behandlung mit Lenalidomid beginnt.

Der verschreibende Arzt muss männliche und weibliche Patienten über das zu erwartende fehlgeburtliche Risiko und die strengen Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen, wie sie im Schwangerschaftsverhütungsprogramm beschrieben sind, aufklären. Zudem muss er die Patienten mit einer entsprechenden Patienteninformationsbroschüre, einer Patientenkarte und/oder ähnlichen Materialien gemäß dem national implementierten Patientenkartensystem ausstatten. 

Nachbeobachtung und Therapieende

Ein medizinisch überwachter Schwangerschaftstest muss alle vier Wochen wiederholt werden, einschließlich vier Wochen nach Beendigung der Behandlung (außer im Fall einer bestätigten Sterilisation durch Tubenligatur).

Kommt es während der Behandlung mit Lenalidomid zu einer Schwangerschaft, muss die Behandlung abgebrochen werden. Die Patientin wird dann an einen mit Geburtsschäden erfahrenen Arzt (Teratologe) überwiesen. Ein Teratologe sollte auch aufgesucht werden, wenn Partnerin eines männlichen Patienten, der mit Lenalidomid behandelt wird, schwanger wird.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Lenalidomid in die Muttermilch übergeht. Deshalb sollte während der Behandlung mit Lenalidomid nicht gestillt werden.

Lenalidomid und Kinder

Es gibt keine Erfahrungen mit der Anwendung von Lenalidomid bei Kindern und
Jugendlichen. Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren sollten deshalb nicht mit dem Wirkstoff behandelt werden.