Insuline Wirkungsweise

Bei gesunden Menschen produziert die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin in ausreichender Menge in den Betazellen der so genannten Langerhans'schen Inseln (daher der Name Insulin). Hier werden zwei Ketten von Aminosäuren mit 21 und 30 Aminosäuren zu einem Insulinmolekül verbunden. Jeweils sechs solcher Insulinmoleküle lagern sich zusammen und werden so zunächst auch in den Betazellen gespeichert. Steigende Blutzuckerspiegel verursachen dann eine Freisetzung der gespeicherten Insulinmoleküle in das Blut. Mit diesem gelangt das Insulin an den Ort seiner Wirkung.

Insulin beeinflusst maßgeblich den Zuckerstoffwechsel im Körper. Der Zucker wird aus der Nahrung in das Blut aufgenommen. Mit dem Blut wird der Zucker im ganzen Körper verteilt und steht so allen Körperzellen zur Verfügung. Das Hormon Insulin entfaltet seine Effekte hauptsächlich in den Zellen von Fettgewebe, Muskulatur und Leber. In Fettgewebe und Muskulatur werden die Zellen durch das Insulin veranlasst, Zucker aus der Blutbahn aufzunehmen und ihn zum Fettaufbau zu verwenden beziehungsweise als Energiequelle für die Bewegung zu nutzen. In der Leber, aber auch den Muskeln, fördert Insulin den Aufbau des Speicherzuckers Glycogen. Benötigt der Körper die darin gespeicherte Energie, kann das Glycogen kurzfristig wieder zu Zucker abgebaut werden, der den Zellen dann zur Verfügung steht.

Kurz gesagt, besteht die Insulinwirkung darin,
  • die ausreichende Energieversorgung der Körperzellen zu sichern
  • ,
  • langfristige Energiespeicher in Form von Fett aufzubauen
  • ,
  • kurzfristige Energiespeicher in Form von Glycogen anzulegen.
Bei Zuckerkranken funktionieren die Langerhans‘schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr oder nur noch mangelhaft. Entweder wurden sie allmählich durch einen Angriff des körpereigenen Immunsystems zerstört (Diabetes mellitus Typ 1) oder sie haben sich durch eine jahrelange Fehlernährung erschöpft (Diabetes mellitus Typ 2). In beiden Fällen steht nicht mehr genügend Insulin für die Zuckeraufnahme aus dem Blut zur Verfügung, was zu überhöhten Blutzuckerwerten führt. Auch eine Zerstörung des Bauchspeicheldrüsengewebes beispielsweise durch eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung führt durch einen absoluten Insulinmangel zu einer Erhöhung der Blutzuckerspiegel. Beim Diabetes mellitus Typ 2 reagieren zudem oft die körpereigenen Zellen schlechter auf das Insulin. So kann der Blutzuckerspiegel steigen, obwohl oftmals noch mehr Insulin als üblich von der Bauchspeicheldrüse produziert wird.

Insulinpräparate werden zur Anwendung in das Fettgewebe unter der Haut gespritzt. Dazu stehen inzwischen verschiedenste Spritzhilfen (Pens) mit Dosierungsmarkierungen zur Verfügung. Üblicherweise enthält 1 Milliliter Injektionslösung 100 Einheiten Insulin. Je nach Sorte des Insulins beginnt die Wirkung etwa eine halbe Stunde nach der Injektion und dauert dann unterschiedlich lange. Insulin kann aber bei Blutzuckerkrisen auch vom Arzt direkt in die Blutbahn gespritzt werden. In diesem Fall ist schon nach etwa zwölf Minuten die Hälfte des Insulins aus der Blutbahn abgebaut. Insbesondere die Leber, aber auch die Nieren, führen zu einer raschen Ausscheidung.

Häufigste Nebenwirkung der Insulinbehandlung ist die Unterzuckerung. Genau genommen, ist sie die Folge einer Überdosierung. Durch die übermäßige Menge an Insulin fällt der Blutzuckerspiegel zu stark ab. Die typischen Anzeichen einer Unterzuckerung sind Zittern, Heißhungergefühl, Schweißausbruch, Sehstörungen und Verwirrtheit. In diesem Fall sollte der Betroffene sofort Traubenzucker zu sich nehmen, um den Blutzuckerspiegel umgehend zu erhöhen. Sonst drohen Bewusstlosigkeit und schwere Gesundheitsstörungen. Da es sich um eine lebensbedrohliche Komplikation handelt, kann im Zweifel auf das Messen des Blutzuckers vor der Einnahme von Traubenzucker verzichtet werden. Jeder insulinpflichtige Diabetiker sollte stets Traubenzucker mit sich führen.

Bei der Anwendung der Insuline ist neben der möglichst genauen Dosierung der ständige Wechsel der Injektionsstellen nach einem festgelegten Rhythmus wichtig. Wird das Insulin immer an dieselbe Stelle gespritzt, drohen Vernarbungen im Unterhautfettgewebe. In solche Narben gespritzt, wird das Insulin nur schlecht und in nicht abschätzbarer Geschwindigkeit in das Blut aufgenommen. Auch in sichtbar entzündete Stellen sollte nicht gespritzt werden.

Interessant ist die Geschichte der Insulintherapie: Schon um 1900 war bekannt, dass die Bauchspeicheldrüse Sekrete produziert, die den Blutzuckerspiegel senken können. Doch erst 1921 gelang es den Forschern Frederick Banting und Charles Best, das Hormon Insulin aus dem Gewebe der Bauchspeicheldrüse zu gewinnen. Schon 1922 wurde durch diese Entdeckung und ihre Anwendung ein 13-jähriger Diabetiker gerettet. Ein Jahr später erhielten die beiden Forscher zusammen mit John McLeod und James Collip den Nobelpreis für ihre Arbeiten.

Die industrielle Produktion erfolgte in den folgenden Jahrzehnten aus Rinder- und Schweinebauchspeicheldrüsen. Rinderinsulin unterscheidet sich von menschlichem Insulin nur durch drei Aminosäuren, Schweineinsulin nur durch eine Aminosäure. Dennoch kam es im Verlauf der Behandlung oft zu allergischen Nebenwirkungen. Diese beruhten auf Resten von tierischem Eiweiß, das sich noch in den Insulinlösungen befand und das menschliche Immunsystem zur Bildung von Antikörpern reizte. Deshalb wurden letztlich nur noch durch Filtration hochgereinigte tierische Insuline verwendet. Vereinzelt kam es jedoch noch immer zu allergischen Reaktionen. Daher versuchte man, menschliches Insulin chemisch nachzubauen, was dem Forscher Helmut Zahn 1963 gelang. Doch dauerte es bis 1982, bis das Verfahren industriell genutzt werden konnte. Zunächst wurden gentechnisch veränderte Bakterien, später auch Hefepilze benutzt, um menschliches Insulin herzustellen. Seit 1996 werden auf diesem Wege auch Insulin-Analoga erzeugt, die sich in Wirkeintritt und Wirkdauer erheblich von herkömmlichen Insulinen unterscheiden.