Immunologika Wirkungsweise

Zur Stärkung der Abwehr gibt es eine Reihe unterschiedlicher Stoffe, die als Immunstimulanzien eingesetzt werden:
  • Abgeschwächte oder tote Krankheitserreger:
    Sie bilden den Wirkstoff der Impfungen. Die Verabreichung der Erreger oder ihrer Teile reizt den Körper zur Bildung von Antikörpern, die sich bei jeder nachfolgenden echten Infektion sofort auf die Erreger stürzen. Sie markieren deren Zellen als feindlich, sodass die so genannten Fresszellen sie erkennen und unverzüglich vernichten können. Man sagt dann: Der Körper ist immunisiert.



  • Pflanzliche, tierische und chemische Immunstimulanzien:
    Hierzu gehören Substanzen, die das Immunsystem nicht gezielt auf einen Krankheitserreger ansetzen, sondern ganz generell eine Reaktion des Immunsystems gegen Fremdstoffe verstärken. Inzwischen wurde erkannt, dass das Immunsystem auch die Krebsentstehung bekämpft. Wenn normale Zellen zu Krebszellen entarten, kommt es bei ihnen zu einer Umgestaltung, die mit neuen Strukturen auf der Zelloberfläche verbunden ist. Erkennt das Immunsystem diese Strukturen, kann es die Krebszellen zerstören.

    Vielen Wirkstoffen aus Pflanzen, Tieren und Mikroben (z.B. Bakterien, Staphylo- und Streptokokken) wird eine allgemein immunstimulierende Wirkung nachgesagt. Der Wirkmechanismus ist allerdings größtenteils noch nicht aufgeklärt. Gezielter wirken chemische Immunstimulanzien, auch wenn man bei ihnen ebenfalls teilweise noch nicht genau weiß, wie sie wirken.

    1. Pflanzlichen Ursprungs sind vor allem Extrakte des Purpursonnenhuts. Sie wurden traditionell schon bei den amerikanischen Ureinwohnern als Infektionsschutz genutzt. Ein weiterer Wirkstoff ist Pelargoniumwurzel, der aus der Volksmedizin Südafrikas stammt. Er wird vor allem zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungskrankheiten eingesetzt. Wie beide Stoffe wirken, ist nicht bekannt. Auch andere pflanzliche Wirkstoffe wie Lebensbaumspitzen, Sonnenhutwurzel und Färberhülsenwurzel werden als Immunologikum eingesetzt.

    Ein Sonderfall sind Pollen von Blütenpflanzen (Gräser, Kräuter, Sträucher, Bäume), die Allergien auslösen. Diese Pollen werden gezielt als so genannte Allergene eingesetzt, um den Patienten durch eine gesteuerte allergische Reaktion gegen den Reiz aus der Umwelt "abzuhärten" (Desensibilisierung). Wie genau das funktioniert, ist noch nicht bekannt. Meistens müssen diese Allergene gespritzt werden, doch gibt es auch solche wie die Wiesenlieschgraspollen, die man in Tablettenform schlucken kann.

    2. Aus tierischen Organen wie Thymus und Milz aus Rindern werden ebenfalls Wirksubstanzen hergestellt (wie etwa die "Frischzellenkur"). Ihr Effekt ist umstritten. Auch tierische Produkte werden als so genannte Allergene zur Desensibilisierung von Allergikern eingesetzt.

    3. Immunstimulanzien werden auch aus Bakterien wie Escherichia coli, Enterococcus faecalis, Staphylo- und Streptokokken gewonnen. Da die entsprechenden Wirkstoffe nicht gespritzt, sondern eingenommen werden, vermutet man als Wirkmechanismus die positive Beeinflussung eines in der Darmwand angesiedelten Teils des Immunsystems.

    4. Chemische Immunstimulanzien gibt es aktuell zwei:
    Das erste ist Imiquod, das für die örtliche Therapie von Warzen auf Schleimhaut und Haut sowie bei bestimmten Hautkrebsformen eingesetzt wird. Beide Krankheiten entstehen wahrscheinlich durch Viren. Imiquod aktiviert in den Haut- und Schleimhautzellen einen Viren abwehrenden Immunstoff (Zytokin).
    Der zweite Wirkstoff ist Glatirameracetat, das der innerlichen Therapie der schubförmigen multiplen Sklerose dient. Multiple Sklerose wird möglicherweise durch eine Entgleisung des Immunsystems verursacht. Sie ist durch einen entzündlichen Abbau der die Nerven umgebenden Eiweißhülle gekennzeichnet. Glatirameracetat ist den Bausteinen der Eiweißhülle sehr ähnlich. Es aktiviert ein körpereigenes Schutzsystem, das den zerstörerischen Entzündungsprozess abstoppt.



  • Gentechnisch hergestellte körperidentische Substanzen:
    In den letzten Jahren sind, bedingt durch die Fortschritte in der Gentechnologie, neue Wirkstoffe entwickelt worden, die körpereigenen Stoffen gleichen. Sie sind im Allgemeinen hochwirksam, aber auch mit Nebenwirkungen behaftet und meist sehr teuer. Interessanterweise werden sie inzwischen auch zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt.
    Zu den gentechnisch hergestellten körperidentischen Substanzen gehören vor allem:

    1. Zellfaktoren:
    Blutzellen wie Granulozyten und Monozyten sind sehr wichtig für das Immunsystem. Besonders bei Anwendung von Zytostatika in der Krebsbehandlung kommt es zu einem gehäuften Sterben dieser Blutzellen und damit verbunden zu einem erhöhten Infektionsrisiko. Granulozyten und Monozyten müssen ständig neu gebildet werden, da sie nur relativ kurzlebig sind. Die Entwicklung dieser Zellen aus den so genannten Blutstammzellen erfolgt angeregt durch Eiweiße, die als koloniestimulierende Faktoren (colony stimulating factors, CSF) bezeichnet werden. Durch die Unterstützung mit gentechnisch nachgebautem CSF können die Granulozyten und Monozyten schneller vom Körper produziert werden, was das Immunsystem stärkt. Zu dieser Wirkstoff-Untergruppe zählen Filgrastim, Lenograstim, Nartograstim, Ancestim und Leridistim.

    Eine weitere Gruppe der gentechnisch hergestellten, körpereigenen Faktoren sind künstliche Bindungsstellen (Rezeptoren) beispielsweise für Entzündungs-fördernde Eiweiße wie den Tumor-Nekrose-Faktor. Sie fangen die Entzündungsvermittler ab, bevor sie sich an Körperzellen binden und ihre Wirkung entfalten können. Ein erster Vertreter dieser Gruppe ist das Etanercept.

    2. Interleukin-2:
    Interleukin-2 stellt einen Wachstumsfaktor für Zellarten dar, die entscheidend an der Immunabwehr beteiligt sind, etwa T-Lymphozyten, Monozyten und B-Lymphozyten. Momentan ist Interleukin-2 zur Behandlung von Nierenkrebs zugelassen, der schon Tochtergeschwülste gebildet hat, und wird bei der AIDS-Therapie klinisch geprüft.

    3. Interferone:
    Interferone sind Eiweiße, die bei Entzündungsreaktionen im Körper ausgeschüttet werden und die Immunreaktionen sowohl verstärken als auch verringern können. Damit gehören Interferone zu den körpereigenen Abwehrstoffen. Inzwischen sind mehr als 20 verschiedene Interferone bekannt, dazu gehören Interferon alpha 2a und Interferon alpha 2b sowie beta- und gamma-Interferone. Diese Interferone haben verschiedene Effekte im Körper. Beispielsweise wirken die alpha-Interferone 1a gegen Viren und werden vor allem bei viral bedingten Infektionen eingesetzt. Alpha-Interferone 2b beeinflussen das Immunsystem und hemmen die Teilung von sich schnell teilenden Zellen, wie Tumorzellen. Alpha-Interferone 2b werden deshalb häufig in der Krebstherapie eingesetzt.

    Zur Behandlung der Multiplen Sklerose sind beta-Interferone geeignet. Diese Interferone beruhigen das bei MS überaktive überschießende Immunsystem. Beta-Interferone gelten als Medikamente der ersten Wahl bei der Langzeittherapie von schubförmig verlaufender Multipler Sklerose. Man unterscheidet zwei Formen: Interferon-beta 1a wird aus genetisch veränderten Säugetierzellen gewonnen und Interferon-beta 1b wird mit Hilfe von Bakterienzellen hergestellt.
Immunsuppressiva unterdrücken das Immunsystem. Es gibt auch hier eine große Menge verschiedener Stoffe. Es lassen sich vier verschiedene Gruppen von Immunsuppressiva unterscheiden:

  • Glukokortikoide:
    Diese Stoffgruppe greift im Zellkern von Körperzellen an, die am Immunsystem beteiligten sind. Glukokortikoide blockieren dort nämlich Teile der Erbinformation. So verhindern sie gezielt die Herstellung von so genannten Entzündungsfaktoren wie den Zytokinen. Glukokortikoide sind das Mittel der ersten Wahl zu allen Gelegenheiten, bei denen eine schwache bis mittlere Unterdrückung der Immunreaktion erwünscht ist. Also zum Beispiel bei schweren rheumatischen Erkrankungen.



  • Die Naturstoffe Ciclosporin, Tacrolimus und Pimecrolimus:
    Diese Stoffe hemmen im Körper die Herstellung des Immunstoffs Interleukin-2. Interleukin-2 aber benötigen Immunzellen wie zum Beispiel die T-Lymphozyten zur Ausreifung. Unausgereift können T-Lymphozyten keine Abstoßungsreaktionen (zum Beispiel gegen als fremd erkanntes Gewebe) auslösen. Ciclosporin, Tacrolimus und Pimecrolimus lassen andere Teile des Immunsystems, die zur Infektabwehr nötig sind, praktisch unbeeinflusst. Daher sind Ciclosporin und Tacrolimus Mittel der Wahl zur Immunsuppression nach Transplantationen. Pimecrolimus und Tacrolimus werden auch in Form von Cremes bei Neurodermitis zur Linderung der Hautsymptome wie Ekzem und Juckreiz eingesetzt.



  • Zytostatika:
    Zu dieser Gruppe zählen die Substanzen Cyclophosphamid, Azathioprin, Methotrexat und Mycophenolatmeofetil. Sie greifen tief in verschiedene Prozesse der Immunantwort ein. Zytostatika dienen in hoher Dosierung der Chemotherapie von Krebserkrankungen. Zur Unterdrückung des Immunsystems werden sie in niedrigerer Dosierung eingesetzt.



  • Spezielle Antikörper:
    Diese Wirkstoffe heften sich an bestimmten Bindungsstellen auf weiße Blutkörperchen, was diese bei der Immunreaktion behindert. Man unterscheidet monoklonale und polyklonale Antikörper, je nachdem, ob isolierte Wirkstoffe oder ein Wirkstoffcocktail zum Einsatz kommen. Die monoklonalen Antikörper sind gentechnologisch hergestellt, während die polyklonalen aus Tieren gewonnen werden.
    Zu den monoklonalen Antikörpern gehören: Etanercept, Adalimumab, Efalizumab, Infliximab, Basiliximab und Muromonab-CD3. Sie werden bislang nur bei Autoimmunerkrankungen wie schwerer Schuppenflechte und entzündlich rheumatischen Erkrankungen eingesetzt oder getestet.
    Zur Gewinnung polyklonaler Antikörper werden menschliche Lymphozyten einem Tier (Pferd, Kaninchen) eingeimpft. Der Tierkörper erkennt die Lymphozyten als fremd und bildet dagegen Immuneinweiße. Diese werden dann aus dem Serum der Tiere herausgefiltert. Zu solchen Wirkstoffen gehören zum Beispiel ein Anti-T-Zell-Immunserum vom Pferd und Antihuman-T-Zellserum vom Kaninchen. Beide können nach Transplantationen gegen die zu befürchtenden Abstoßungsreaktionen eingesetzt werden.