Benzodiazepine Wirkungsweise

Benzodiazepine wirken im Gehirn. Sie verstärken, vereinfacht ausgedrückt, bereits vorhandene Hemm-Mechanismen in ihrer Wirkung. Zur Veranschaulichung der Wirkweise kann man sich das Gehirn als Kraftwerk vorstellen: Am Tag sind viele Maschinen in Betrieb und geschäftige Mitarbeiter im Einsatz, das Werk läuft auf Hochtouren. Vor Arbeitsschluss kehrt langsam Ruhe ein. Die Arbeiter verlassen nach und nach das Kraftwerk, die Maschinen werden herunter gefahren. Diese Phase brauchen Menschen, um Ruhe zu finden und schließlich in den Schlaf zu gelangen. Im Gehirn steuert Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) diese Phase. Je stärker GABA wirkt, umso ruhiger und gelassener werden wir. Benzodiazepine verstärken die Wirkung von GABA. Im Ergebnis kommen Patienten schneller zur Ruhe, sind weniger angespannt und deutlich gelassener.

Die Wirkdauer der Benzodiazepine hängt unter anderem davon ab, wie schnell der Wirkstoff vom Körper abgebaut wird. Die Zeit des Abbaus wird über die sogenannte Halbwertzeit ermittelt. Die Halbwertzeit ist die Zeit, die benötigt wirdverstreicht, bis die Wirkstoffkonzentration auf die Hälfte des anfänglichen Wertes abfällt. Halbwertzeiten bei Benzodiazepinen liegen - je nach Wirkstoff - zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen. Deshalb sind Sie in lang, mittellang und kurz wirkende Benzodiazepine unterteilt.

Vor- und Nachteile von langwirksamen Benzodiazepinen

  • Langwirksame Benzodiazepine sind gut geeignet, um Schlafstörungen zu behandeln, die durch traumatische Ereignisse ausgelöst werden. In der Regel sind Menschen nach einem Trauma für einen Zeitraum von mehreren Tagen oder Wochen stark belastet. Die dämpfende Wirkung von langfristig wirksamen Benzodiazepinen erleichtert es den Betroffenen, nachts zur Ruhe zu kommen und sich tagsüber nicht in Sorgen, Kummer oder Ängsten zu verlieren.

Vor- und Nachteile von mittellangwirksamen Benzodiazepinen

  • Mittellangwirksame Benzodiazepine bessern Ein- und Durchschlaffähigkeit in der Regel recht schnell. Im Gegensatz zu langwirksamen Benzodiazepinen haben sie geringfügigere Überhangeffekte am nächsten Tag. Patienten fühlen sich am Morgen danach weniger müde und sind tagsüber leistungsfähiger als nach der Einnahme von Benzodiazepinen mit langer Wirkdauer.
  • Einige mittellangwirksame Benzodiazepine, wie beispielsweise Lorazepam, wirken besonders gut angstlösend und entspannend. Damit sind sie zur kurzfristigen Behandlung von Angstzuständen sehr gut geeignet. Nachteilig ist jedoch die schnelle Gewöhnung des Körpers an die entspannende Wirkung mittellang wirksamer Benzodiazepine. Sie machen extrem schnell abhängig. Deshalb sollten sie nur kurzfristig gegeben werden. Eine Langzeitbehandlung muss sehr sorgfältig ärztlich überwacht werden. 

Vor- und Nachteile von kurzwirksamen Benzodiazepinen

  • Vorteil der kurzwirksamen Benzodiazepine ist, dass sich Ein- und Durchschlaffähigkeit sofort bessern und Anspannungen unmittelbar abfallen. Desweiteren ist die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag nur sehr selten eingeschränkt, meistens sogar überhaupt nicht. Patienten sind also tagsüber nicht müde, wie nach der Einnahme langwirksamer Benzodiazepine.
  • Als wichtigsten Nachteil birgt die kurze Wirksamkeit die Gefahr, dass der Nachtschlaf bereits nach vier bis sechs Stunden vorbei ist. Oft nehmen Patienten dann – etwa um 4.00 Uhr morgens - eine weitere Tablette. Wenn der Patient anschließend nicht trotzdem zur gewohnten Zeit aufsteht, schläft er bis in die Mittagsstunden. Folglich ist er abends nicht müde und greift erneut zur Schlaftablette. Das mündet nicht selten in einem Teufelskreis.
  • Nachteilig ist ferner, dass sich der Körper schnell an die beruhigende Wirkung gewöhnt und wiederholt nach dem Medikament verlangt – oft schon nach einwöchiger Einnahme.

Benzodiazepine haben auch unerwünschte Wirkungen.Das sind vor allem:

  • Veränderungen des natürlichen Schlafmusters: Benzodiazepine vermindern die Tiefschlafphase und teilweise auch den REM-Schlaf.
  • Hang-over-Effekte: Je nach Wirkdauer der Benzodiazepine können Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie Reaktionsvermögen auch noch am Tag nach der Einnahme beeinträchtigt sein. Dadurch erhöht sich das Unfallrisiko.
  • Absetz-Schlafstörungen (sogenannte Rebound-Insomnie): Rebound ist Englisch und bedeutet so viel wie Rückprall. Das heißt, bei abruptem oder zu schnellem Absetzen des Medikaments treten erneut und nicht selten sogar verstärkt Schlafstörungen auf. Am stärksten werden Absetzschlaf-Störungen bei hohen Dosierungen und bei Benzodiazepinen mit kurzer Wirkungszeit beobachtet.
  • Entzugserscheinungen: Neben den Absetzschlafstörungen kommt es nach abruptem Behandlungsende häufig noch zu anderen Entzugssymptomen. Typisch sind Angstzustände, Zittern, Alpträume, Erregungs- und Unruhezustände.
  • Toleranzentwicklung: Bei Benzodiazepinen ist nach zwei bis vier Wochen mit einer Wirkungsabschwächung zu rechnen. Um die gleiche Wirkung zu erzielen, muss die Dosis gesteigert werden – vermehrte Nebenwirkungen sind die Folge.
  • Körperliche Abhängigkeit: Nach einigen Wochen der Anwendung kommt es häufig zu körperlichen Entzugserscheinungen (wie Muskelschmerzen und Zittern), wenn Benzodiazepine nicht in ausreichender Menge oder zum gewohnten Zeitpunkt eingenommen werden. Man spricht hier von einer körperlichen Abhängigkeit. Das Risiko steigt mit zunehmender Dosierung und Therapiedauer.
  • Muskelentspannung: Benzodiazepine sind muskelentspannend. Das ist besonders für ältere Menschen gefährlich. Die fehlende Spannung erhöht die Sturzgefahr, zum Beispiel beim nächtlichen Besuch zur Toilette.
  • Atemdämpfung: Benzodiazepine dämpfen die Atmung. Gerade bei vorbelasteten Personen (zum Beispiel Menschen mit Asthma, Herzmuskelschwäche oder niedrigem Blutdruck sowie Schnarchern mit Atemaussetzern) kann es möglicherweise zu einer gefährlichen Atemdämpfung kommen.
  • Reaktionsumkehr: Insbesondere ältere Menschen und Kinder reagieren gegenteilig auf Benzodiazepine. Die beruhigende Wirkung schlägt um, die Betroffenen sind erregt, unruhig, ängstlich und manchmal sogar panisch.
  • Gedächtnisleistung: Benzodiazepine können vorübergehend das Gedächtnis beeinträchtigen. Etwaige Vorkommnisse in der Nacht, wie Toilettengänge und sogar Stürze geraten in Vergessenheit und neue Informationen werden nicht auf Anhieb aufgenommen. Davon sind besonders Personen betroffen, die kurz wirksame Benzodiazepine erhalten.
  • Wechselwirkungen: Benzodiazepine beeinflussen die Wirkung etlicher Wirkstoffe. Je nach Dosis verstärken sie zum Beispiel erwünschte und nicht erwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) von Schmerzmitteln, Mitteln gegen Krampfleiden oder Depressionen und Nervendämpfungsmitteln sowie blutdrucksenkenden Beta-Blockern.
  • Alkoholgenuss: Alkohol kann die Benzodiazepin-Wirkung in nicht vorhersehbarer Weise verändern und verstärken. Darum sollte während der gesamten Behandlungsdauer kein Alkohol getrunken werden.
Besonders problematisch ist, dass man sich an die Benzodiazepine gewöhnen kann und von ihnen nicht mehr loskommt, das heißt abhängig wird. Diese Abhängigkeit entsteht aus zwei Gründen:
  • Benzodiazepine lösen die Ursache des Problems (zum Beispiel der inneren Unruhe, der Angst oder der Schlafstörungen), dessentwegen sie angewendet werden, nicht. Sie überdecken das Problem nur und schirmen den Patienten von der Realität ab. So entsteht eine seelische Abhängigkeit von diesem Schutz gegen die Realität, die dazu zwingt, den Wirkstoff immer weiter einzunehmen.
  • Beendet man die Einnahme der Benzodiazepine, treten die Symptome wie Angst oder Schlaflosigkeit oft verstärkt wieder auf. Dieser sogenannte "Rebound-Effekt" kommt besonders nach längerer Einnahme und/oder bei plötzlichem Absetzen zum Tragen und ist Ausdruck einer körperlichen Abhängigkeit. Auch diese führt dazu, dass die Patienten immer wieder zu dem Wirkstoff greifen.

Um den Teufelskreis der Abhängigkeit zu vermeiden, sollten Benzodiazepine stets nur für kurze Zeit angewendet und die Einnahme immer unter langsamer Dosisverminderung beendet werden. Benzodiazepine sind diejenigen Arzneimittel in Deutschland, die am häufigsten missbräuchlich (also zu lange und nicht der Krankheit angemessen) verwendet werden!

Die Gefahr der Gewohnheitsbildung und Toleranz (das heißt: man braucht für die gleiche Wirkung immer höhere Dosen des Wirkstoffs) steigt mit der Dauer der Anwendung (länger als zwei bis drei Wochen). Sie scheint bei den Benzodiazepinen Flunitrazepam und Lorazepam am höchsten zu sein.

Ältere Patienten sollten niedrigere Dosierungen als jüngere Erwachsene erhalten und am besten mit Benzodiazepinen von mittlerer Wirkdauer behandelt werden. Geeignet ist hier zum Beispiel das Lormetazepam. Der Grund ist die langsamere Ausscheidung der Arzneimittel im Alter, die insgesamt zu höheren Medikamentenkonzentrationen im Blut und stärkerer Wirkung führt.

Alle Benzodiazepine haben eine große so genannte therapeutische Breite. Das bedeutet: Der Abstand zwischen normaler Dosierung und der Menge, bei der das Arzneimittel tödlich wirkt, ist sehr weit. Damit sind die Benzodiazepine, abgesehen von der Suchtgefahr, bei korrekter Anwendung sehr sichere Arzneimittel.