Medikamentensucht: Wenn die Hilfe zur Gefahr wird

Viele bunte Pillen, von denen einige zur Medikamentensucht führen, liegen auf einem Tisch verteilt.
Der Grad zwischen Leistungssteigerung und Medikamentensucht ist schmal.

Wenn von dem Wort „Sucht“ die Rede ist, denken viele an Alkoholsucht oder Drogenabhängigkeit. Dabei kommt es häufiger als man denkt zur Medikamentensucht. Menschen, die an starkem Prüfungsstress leiden, sollten sich dieser Problematik bewusst sein. Denn auch leistungssteigernde Medikamente oder Aufputschmittel, die oftmals zum besseren Lernen eingenommen werden, können zur Abhängigkeit führen. Doch was genau ist eine Medikamentensucht? Und wie entsteht sie?

Medikamentensucht – was ist das?

Eine Medikamentensucht liegt oftmals dann vor, wenn jemand ein Arzneimittel nicht so einnimmt, wie es vorgesehen ist – länger, mehr davon oder häufiger. Passieren kann dies zum Beispiel mit Medikamenten zum Lernen. Zudem wird ein Süchtiger, auch wenn ein bestimmtes Medikament psychische oder körperliche Schäden hervorruft, nicht damit aufhören, es zu sich zu nehmen.

In der Regel unterscheidet man bei einer Medikamentensucht darin, ob der Süchtige Substanzen einnimmt, die eine körperliche Abhängigkeit auslösen oder körperliche Schäden verursachen:

  • körperliche Abhängigkeit: Sie tritt dann auf, wenn der Körper sich an die regelmäßige Zufuhr eines beispielsweise leistungssteigernden Medikamentes angepasst hat. Sobald es dem Organismus nicht mehr zugeführt wird, treten Entzugserscheinungen wie Zittern oder Schweißausbrüche auf.
  • körperliche Schäden: Die übermäßige Einnahme von Medikamenten kann nachteilig für den Körper sein. Zu diesen zählen, je nach Arzneimittel, zum Beispiel Durchblutungsstörungen, Magengeschwüre oder Nierenschäden.

Ein Risiko für körperliche Schäden durch einen Missbrauch besteht unter anderem durch Antidepressiva, Aufputschmittel oder apothekenpflichtige Schmerzmittel.

Aufputschmittel

Aufputschmittel sind leistungssteigernde Medikamente, die auch als Stimulanzien bezeichnet werden. Sie können mitunter zu einer gesteigerten Nervenaktivität führen, beziehungsweise die Nervenleistung beschleunigen und verbessern; Gründe, weshalb sie für Prüfungsstressgeplagte ein Thema sein können. Inhaltsstoffe wie Amphetamin, Modafinil oder Guanfacin zählen zu den in leistungssteigernden Medikamenten häufig vorkommenden Substanzen. Auch Ritalin lässt sich an dieser Stelle nennen, obwohl es eigentlich nicht für diese Zwecke entwickelt wurde. Aufputschmittel finden unter anderem als Medikamente zum Lernen ihre Anwendung.

Medikamentensucht: Welche Kriterien müssen erfüllt sein?

Laut einer Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine Medikamentensucht dann vor, wenn:

  • ein Medikament trotz Folgeschäden eingenommen wird
  • ein Mittel ohne die Erhöhung der Dosis kaum noch wirkt
  • ein hoher Zeitaufwand betrieben wird, um ein Arzneimittel zu beschaffen und gleichzeitig andere Interessen nicht mehr wichtig sind
  • ein zwanghaftes Verlangen nach einem Medikament besteht
  • die Kontrolle, in Bezug auf Menge und Beendigung der Einnahme, verloren wird
  • körperliche Entzugserscheinungen auftreten

Mindestens drei dieser Kriterien müssen innerhalb des zurückliegenden Jahres auf einen Menschen zugetroffen sein, damit er als medikamentensüchtig gilt.1 Zu einer Sucht kann es beispielsweise auch durch Medikamente zum Lernen wie Ritalin kommen.

Welche Medikamente zum Lernen können zur Sucht führen?

Die Redensart „die Dosis macht das Gift“ gilt vermutlich auch für viele Arzneimittel. Jedoch gibt es einige, bei welchen die Gefahr einer Sucht größer ist als bei anderen. Zu diesen Medikamentengruppen zählen unter anderem die folgenden:

  • Leistungssteigernde Medikamente: Aufputschmittel werden zum Beispiel zur Behandlung von Asthma oder Atemstörungen im Schlaf (Schlafapnoe) verschrieben. Oftmals kommt es jedoch auch zum Missbrauch dieser Medikamente. Unter anderem dann, wenn sie als Appetitzügler oder Wachmacher herhalten müssen. Schnell kann es dann bei einem übermäßigen Konsum zu einer Medikamentensucht kommen.
  • Schlafmittel: Hypnotika ist ein anderes Wort für diese Wirkstoffgruppe. Sie sollten nicht länger als zwei Wochen eingenommen werden, um besser schlafen zu können. Denn danach ist es möglich, dass sie, anstatt zu helfen, Schlafstörungen herbeiführen.2

Da leistungssteigernde Medikamente und Schlafmittel mitunter als Medikamente zum besseren Lernen verwendet werden, spielen sie auch für Menschen mit Prüfungsstress eine Rolle. Betroffene, die ihren Stress medikamentös unter Kontrolle bekommen möchten, sollten sich jedoch der potenziellen Gefahr einer Medikamentensucht bewusst sein.

Ritalin – ein leistungssteigerndes Medikament, das nicht zu unterschätzen ist

Immer wieder wird in Zeitungen davon berichtet, dass viele – besonders Menschen mit Prüfungsangst – zu Ritalin greifen, um ihre Leistung zu steigern. Ritalin ist dabei nur der Name eines Arzneimittels, das eigentlich ein Methylphenidat ist – ein stimulierender Wirkstoff.

Ritalin ist nicht wirklich zum Lernen gedacht. Viel eher wird es verschieben, um Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom) zu behandeln. Denn es hat eine beruhigende Wirkung. Vielen Menschen ist jedoch aufgefallen, dass es auch die Aufmerksamkeit steigert und Müdigkeit unterdrückt – was förderlich für das Lernen sein kann.

Die regelmäßige Einnahme von Ritalin birgt jedoch das Risiko einer Medikamentensucht. Auch die amerikanische Behörde für Drogenmissbrauch (DEA) hat Ritalin als besonders süchtig machend bewertet.3 Zudem sind Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Schwitzen, Kopfschmerzen, Depression, Bluthochdruck, Erbrechen und Aggressivität möglich.

Warum kommt es zur Medikamentensucht?

Prinzipiell kann jeder Mensch medikamentensüchtig werden. Missbräuche von beispielsweise leistungssteigernden Medikamenten finden sich in allen sozialen Schichten und bei Personen jeder Altersklasse. In vielen Fällen spielen persönliche und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle bei der Entstehung einer Medikamentensucht.

So sind unter anderem Teenager gefährdet, medikamentensüchtig zu werden. Besonders dann, wenn sie Eltern haben, die sehr schnell zu Medikamenten greifen – zum Beispiel zum Behandeln von Kopfschmerzen. Dadurch wählen auch die Söhne oder Töchter bei kleineren Schmerzen oder in stressigen Situationen eher den Weg der raschen medikamentösen Hilfe. Auf Dauer kann daraus ein Missbrauch oder gar eine Abhängigkeit entstehen.

Auch die Neugierde darauf, wie der Körper auf ein bestimmtes Medikament reagiert, kann eine Medikamentensucht herbeiführen. Schnell kann aus einem Experimentieren mit Psychostimulanzien (Präparate wie Aufputschmittel, die eine anregende Wirkung haben) eine körperliche Abhängigkeit entstehen. Oft sind es jüngere Menschen, die einen Kick suchen und sich durch die Einnahme von immer stärkeren Substanzen eine bestimmte Wirkung erhoffen.

Zudem gibt es viele Menschen, die sich tagtäglich überfordert fühlen – sei es in der Schule, Universität oder Beziehung. Manche Menschen sind davon überzeugt, dass Medikamente wie Aufputschmittel, Schlafmittel oder Antidepressiva der einzige Weg sind, ihren Alltag meistern zu können. Doch einige dieser Präparate, wie beispielsweise Ritalin, führen bei regelmäßiger Anwendung zur Medikamentensucht.

Medikamentensucht: Was tun?

Wenn Betroffene vermuten, dass sie an einer Medikamentensucht leiden, die zum Beispiel durch leistungssteigernde Medikamente ausgelöst werden kann, sollten sie sich schnellstmöglich Unterstützung suchen. Eine erste Anlaufstelle kann beispielsweise der Hausarzt sein.

Je eher das Problem erkannt wird, desto einfacher ist es, dass suchtauslösende Arzneimittel wieder aus seinem Leben zu verbannen. Es ist jedoch immer möglich, eine Medikamentensucht zu behandeln, auch wenn sie sehr spät erkannt wird. Die Therapie beinhaltet unter anderem die Absetzung des Medikamentes unter der Aufsicht eines Psychologen und eines Arztes.