Übergewicht bei Kindern - Hänseleien erschweren das Abnehmen

Kind auf Waage: Wer als Kind gehänselt wird, bleibt oft langfristig dick
Wer als Kind gehänselt wird, bleibt oft langfristig dick
Fetti, Wal oder Dicki – übergewichtige Kinder werden oft gehänselt wegen ihrer Kilos. Doch das schadet nicht nur der Kinderseele.

Viele Kinder und Jugendliche bringen zu viele Kilos auf die Waage. Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben Übergewicht; bei rund einem Drittel von ihnen ist es so ausgeprägt, dass Ärzte von Fettleibigkeit oder Adipositas sprechen. Zu diesen Zahlen kommt das Robert Koch-Institut. Doch Kinder und Jugendliche, die wegen ihres Aussehens gehänselt wurden, haben große Probleme beim langfristigen Abnehmen. Dies ergab eine Studie des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) AdipositasErkrankungen der Universitätsmedizin Leipzig.

Übergewicht bleibt dank Hänseleien

An der Untersuchung nahmen 381 Frauen und Männer teil, die früher an Übergewicht gelitten hatten beziehungsweise heute noch zu dick waren. 14 Prozent gaben an, im Kindes- oder Jugendalter wegen ihres Aussehens so sehr gehänselt worden zu sein, dass es sie belastet habe. Experten sprechen von Stigmatisierung. Ihnen war es gelungen, mindestens zehn Prozent ihres maximalen Körpergewichts zu verlieren. Sie konnten das reduzierte Gewicht über mindestens ein Jahr halten und nahmen nach zwei Jahren im Schnitt wieder 2,8 Kilogramm zu.

Jene Probanden, die in der Kindheit und Jugend für ihr Aussehen gehänselt worden waren, konnten das niedrigere Gewicht langfristig weniger halten als unbelastete Übergewichtige. Als Ursache fanden die Forscher heraus, dass die durch Stigmatisierung belasteten Personen stärker zu emotionalem Essen neigten. Bei Ärger, Stress, Traurigkeit, Langeweile und ähnlichen negativen Emotionen versuchten sie, ihre Stimmung durch Essen aufzuhellen. Es kann ein Teufelskreis aus Hänseleien, negativen Emotionen, Frustessen und weiterem Gewichtsanstieg entstehen, der wiederum noch mehr Hänseleien nach sich zieht.

Stigmatisierung macht dick und krank

Verschiedene Studien belegen, dass Auffälligkeiten im Essverhalten, etwa emotionales Essen, eine langfristige Gewichtsabnahme beeinträchtigen. "Forscher und Ärzte wissen bisher aber wenig darüber, wie sich Stigmatisierung auf die Entwicklung des Gewichts auswirken", unterstreicht Prof. Anja Hilbert, Leiterin des Forschungsbereichs Verhaltensmedizin am IFB.

Die Stigmatisierung von Menschen mit starkem Übergewicht hat neben den geringeren und kürzeren Abnehmerfolgen viele weitere gravierende Auswirkungen wie etwa ein negatives Selbstbild, Essstörungen und sogar Depressionen. "Für die Therapie der Adipositas muss der Zusammenhang zwischen Stigmatisierung und einem kleineren langfristigen Abnehmerfolg beachtet werden. Denn nur ein anhaltend niedrigeres Körpergewicht hilft, die schweren Folgeerkrankungen einer Adipositas wie Diabetes, Arteriosklerose, Fettleber oder Bluthochdruck zu reduzieren", erläutert die Psychologin Claudia Hübner.

Schwere Gewichthalten nach dem Abnehmen

Derzeit schaffen es nur 17 bis 34 Prozent der Menschen mit Übergewicht und Adipositas nach einer Gewichtsreduktion, den Abnehmerfolg langfristig zu halten. Um Adipositastherapien zu verbessern sei es wichtig, die gewichtsbezogene Stigmatisierung durch mehr gesellschaftliche Aufklärung zu Adipositas zu verringern und den Umgang der Betroffenen damit zu verbessern. Letzteres geschieht zum Beispiel durch das Training von Bewältigungsstrategien. Dabei lernen die Betroffenen, wann sie auf negative Gefühle mit Essen reagieren und welche alternativen Verhaltensweisen möglich sind.