Internetsucht – Millionen im Netz verstrickt
Nur virtuelle Welt bringt Positives
Mit Menschen, die nicht mehr vom Netz loskommen, beschäftigt sich Dr. Bert te Wildt von der Ruhr-Universität Bochum. Drei bis fünf von ihnen kommen pro Woche auf der Suche nach Hilfe zu ihm. „Betroffen sind vor allem junge Männer, die zumeist schon in einem Übermaß mit Internet und Computerspielen aufgewachsen sind“, sagt der Mediziner. „Die Heranwachsenden kommen mit den zunehmenden Anforderungen an Leistungen und Autonomie nicht zurecht. Im Cyberspace spielen sie den strahlenden Helden.“ Wie bei Substanzabhängigkeiten geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis der Sucht. „Am Ende hält ausschließlich die virtuelle Welt noch positive Erlebnisse bereithält“, so te Wildt.
Halbe Million Menschen internetsüchtig
Insgesamt seien etwa ein Prozent der Deutschen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren internetabhängig, schätzen Experten. Das entspricht etwa einer halben Million Menschen. Betrachtet man nur die Gruppe der 14- bis 16-jährigen, seien es sogar vier Prozent, ergab eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie (PINTA). Die Dunkelziffer könnte aber weitaus höher liegen. Die meisten Jugendlichen spielen exzessiv Online-Computerspiele, oft sind es mehr als fünf Stunden am Tag. Andere seien ständig in sozialen Netzwerken unterwegs. Dies gilt vor allem für die Mädchen.
Internetsucht bringt weitere Krankheiten
Internetabhängige leiden oft unter Begleiterkrankungen (Komorbidität). 70 Prozent von ihnen zeigten eine depressiven Störung. Außerdem traten Angsterkrankungen auf, insbesondere soziale Phobien, und das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom, kurz ADHS. Das Spektrum der begleitenden Krankheiten sei ähnlich wie bei Alkoholabhängigen, so te Wildt.
Die Bochumer Mediziner untersuchten 25 Internetabhängige. Jeder Patient wies mindestens eine Begleiterkrankung auf. Zum Vergleich wurden auch 25 Alkoholabhängige getestet – deren Profil an Begleiterkrankungen sah ganz ähnlich aus. Allerdings litt nur jeder zweite Alkoholsüchtige an einer weiteren Erkrankung. „Die Ergebnisse verdeutlichen die große Bedeutung der Komorbidität für die Internetabhängigkeit“, sagt te Wildt. „Das ist natürlich keine Einbahnstraße, die Erkrankungen bedingen sich gegenseitig“, betont er.
Wann ist ein Mensch onlinesüchtig?
Von einer Suchterkrankung sprechen Fachleute erst, wenn Personen das Spielen derart exzessiv betrieben wird, dass andere Anforderungen des täglichen, sozialen und beruflichen Lebens völlig vernachlässigt werden. „Es muss sich eine Unfähigkeit des Betroffenen zeigen, trotz Kenntnis des schädlichen Gebrauchs seine Internetnutzung zu kontrollieren“, schreibt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.
Onlinesucht ist kein Problem bestimmter gesellschaftlicher Schichte - sie kommt in allen sozialen Gruppen vor.