Salmonellen gegen Krebs?

Können Salmonellen gegen Krebs helfen?
Können Salmonellen gegen Krebs helfen?
Kann man Krebstumoren mit Bakterien an den Kragen gehen? Das klingt abenteuerlich, denn die Keime sind selbst eine Gefahr für den Menschen.

Krebs ist ein gefährlicher und mächtiger Gegner, der zwar in vielen Fällen heilbar ist, durch den aber immer noch zu viele Menschen ihr Leben lassen müssen. Es gibt heute wirksame Krebstherapien wie etwa die Chemotherapie, Bestrahlung oder die Immuntherapie. Allerdings bringen sie nicht bei jedem Krebspatienten einen durchschlagenden Erfolg. Jetzt entwickelten Forscher des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig einen alternativen Ansatz für die Krebstherapie: Bakterien, die den Krebs in die Knie zwingen sollen.

Bakterien halten Krebs in Schach

Eine Infektion mit Bakterien als Krebstherapie? Das klingt zunächst riskant und wirklich abenteuerlich. Und tatsächlich sind viele Keime zu gefährlich, um im Kampf gegen Krebs etwas auszurichten. Zwar können sie feste Tumoren zurückbilden, aber die Mikroorganismen schaden auch dem Patienten. Andere Bakterien wiederum sind harmlos für die Krebspatienten, helfen aber auch nicht gegen die Krebserkrankung.

Die HZI-Forscher veränderten jetzt Salmonellen so, dass sie den Krebstumor zunächst aggressiv attackieren. Später schalten die Keime diese Eigenschaft ab und das Immunsystem kann sie eliminieren. Das sei eine „perfekte Balance für eine neue Therapieform“, hoffen die Forscher.

Salmonellen oft größeres Problem als Krebs

Salmonellen lösen im Körper eine spontane Immunreaktion aus, wenn man sie in die Vene injiziert. Die Abwehrzellen des Immunsystems erkennen die Eindringlinge sofort und alarmieren den Körper, indem sie Botenstoffe ausschütten. „Dies führt zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung im Tumor. Außerdem kommt es zu einer Besiedlung des Tumors durch die Bakterien“, sagt Dr. Siegfried Weiß, Leiter der Abteilung Molekulare Immunologie am HZI. Die Behandlung führt zwar bei Mäusen oft zu einem kompletten Rückgang von Tumoren. Allerdings sind die aggressiven Salmonellen oft ein größeres Problem für die Tiere als der Krebs selbst.

Molekül, das Erreger gefährlich macht

Die Reaktion des Immunsystems hängt von einem bestimmten Oberflächenmolekül der Salmonellen ab, dem Lipopolysaccharid (LPS). Dieses ist sowohl für die Gefährlichkeit eines Erregers verantwortlich als auch für dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Immunsystem. „Selbst wenn die Bakterien von Immunzellen aufgenommen werden, entgehen sie dort der sonst stattfindenden Eliminierung. So können sie sich sogar in den Zellen vermehren. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung der Infektion“, sagt Dr. Michael Frahm, Erstautor der Studie.

Deshalb testeten die Forscher harmlosere Varianten auf ihre Wirksamkeit gegen Tumore. „Zunächst haben wir die Therapie mit genetisch veränderten Salmonellen wiederholt, bei denen diese LPS-Ketten künstlich verkürzt wurden“, sagt Weiß. „Dabei zeigte sich allerdings, dass die abgeschwächten Bakterien auch die Wirkung gegen die Tumore verloren hatten. Aus dieser Not heraus kamen wir auf die Idee, die bakterielle Aggressivität fernzusteuern.“

Erst aggressiv, dann harmlos

Die Forscher veränderten die Salmonellen so, dass sie nur in Gegenwart eines bestimmten Zuckers in einem Nährmedium wie die ursprünglichen Salmonellen wachsen. Sobald sie aber injiziert werden und der Zucker fehlt, wandeln sie sich innerhalb weniger Stunden in die harmlosere Variante um. „Das Besondere ist, dass das Immunsystem so zunächst stark reagiert, aber anschließend die harmlosen Bakterien erfolgreich eliminieren kann. Die Bakterien wandern jedoch trotzdem in den Tumor ein“, sagt Frahm. Da die Salmonellen ihre Aggressivität verlieren, kommt es nur zu geringen Komplikationen. Der Anti-Tumor-Effekt bleibt jedoch bestehen.

Krebstherapie mit Bakterien ist ein Drahtseilakt

In der Krebstherapie seien manchmal Ansätze erforderlich, die auf den ersten Blick eher eine Verschlimmerung der Situation eines Patienten vermuten ließen, sagen die Forscher. Tatsächlich sei die bakterienvermittelte Tumortherapie ein Drahtseilakt. „Wir können bei dieser Behandlung nicht mit Bakterien arbeiten, die vollkommen harmlos sind. Gefährliche Erreger sind allerdings auch zu riskant“, sagt Weiß. „Hier mussten wir einen Mittelweg finden.“

„Weg ist vielversprechend“

Jetzt wollen die Forscher diesen Ansatz weiter untersuchen und verbessern. „Der Weg bis zur klinischen Anwendung ist noch sehr weit, aber vielversprechend ist er allemal“, sagt Weiß.

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Die häufigsten Krebsarten sind Brustkrebs, Prostatatumoren und Lungenkrebs. Trotz der Fortschritte bei etablierten Behandlungen wie Bestrahlung oder Chemotherapie steigt die Zahl der Krebskranken. Neue Ideen für Therapieformen seien daher ein Muss.

Datum: 22.4.2015