Antiepileptika Wirkungsweise

Nerven haben gewissermaßen eine eingebaute Sicherung: Erst ab einer bestimmten Reizstärke leiten sie das Signal weiter. Bei Epilepsien ist diese so genannte Reiz- oder Krampfschwelle erniedrigt. So können Reize, die Gesunde nicht weiter beeinträchtigen, zu Anfällen führen. Sehr deutlich wird dies zum Beispiel bei Jugendlichen, die eine Discothek besuchen. Hier sind Epileptiker besonders gefährdet: Die Musik und Lichtblitze aus Scheinwerfern, Reflexe auf Spiegeln oder Spiegelkugeln überreizen sie so, dass ein Anfall ausgelöst werden kann.

Antiepileptika erhöhen die erniedrigte Krampfschwelle und verringern die erhöhte Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn. Dabei verhindern sie entweder die Entstehung einer übersteigerten Nervenentladung oder deren Ausbreitung.

Wie die Wirkung vieler Antiepileptika zustande kommt, ist oft nicht genau bekannt. Drei Wirkmechanismen sind aber nachgewiesen:
  • Wirkungen auf die Botenstoffe im Nervensystem (Neurotransmitter).
    Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) ist der wichtigste anfallhemmende Botenstoff (Neurotransmitter) im Gehirn. Dessen Wirkung und Wirkdauer verstärken Benzodiazepine und Barbiturate. Zu den hierfür eingesetzten Benzodiazepinen gehören unter anderem Clonazepam, Clobazam, Diazepam und Midazolam. Antiepileptisch wirkende Barbiturate sind besonders Phenobarbital und Primidon.
  • Wirkungen auf die Mineralstoffe Natrium und Calcium, die bei der Freisetzung von Botenstoffen eine Rolle spielen. Der Einstrom von Natrium in die Nervenzellen des Gehirns ist für die Weiterleitung von Erregungen und Reizen von großer Bedeutung. Die Blockade oder Verringerung des Natriumeinstroms unterdrückt die Reizweiterleitung.
    Carbamazepin und Phenytoin wirken ausschließlich über diesen Mechanismus. Auch bei Valproinsäure, Gabapentin und Lamotrigin ist die Hemmung des Natriumeinstroms die hauptsächliche Wirkursache.
    Der Sehhügel (oder Thalamus) ist im Gehirn eine wichtige Umschaltstelle für Nervenreize aus Umwelt und Innenwelt. Für die Reizweiterleitung an dieser Stelle ist auch ein Calciumeinstrom in die Nervenzellen wichtig. Die Antiepileptika Ethosuximid und Trimethadion, zum Teil auch die Valproinsäure hemmen diesen Calciumeinstrom und damit die Reizausbreitung.
  • Sultiam gehört chemisch zu den Sulfonamiden. Von der Struktur her bestehen keine Gemeinsamkeiten mit anderen Antiepileptika. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig aufgeklärt. Man weiß jedoch, dass es im Gehirn das Enzym Carboanhydrase hemmt. Die damit erreichte Ansäuerung des Gewebes scheint auch das Gleichgewicht der erregenden und hemmenden Botenstoffe zu beeinflussen. Weiterhin reduziert Sultiam den Natriumeinstrom in die Nervenzelle und setzt so die Erregbarkeit der Nervenzelle herab. Der krampflösende Effekt von Sultiam ist wissenschaftlich nicht sehr gut belegt.
Bei vielen Antiepileptika ist eine müde machende (sedierende) Wirkung gegeben, besonders bei Benzodiazepinen und Barbituraten muss dies beachtet werden. Phenytoin darf aufgrund seiner ausgeprägten Herzwirkung nicht bei bestimmten Herzerkrankungen mit verlangsamtem Herzschlag angewendet werden. Auch Carbamazepin ist bei diesen Herzerkrankungen sowie bei schweren Leberfunktionsstörungen verboten. Lamotrigin darf ebenfalls nicht bei Leber-, aber auch nicht bei Nierenfunktionsstörungen eingesetzt werden. Die Behandlung mit Sultiam ist nur bei schweren Nierenschäden nicht erlaubt.

Da Antiepileptika meist längerfristig eingenommen werden müssen, ist bei den meisten eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte erforderlich. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind häufig und müssen im Einzelfall abgeklärt werden.

Wichtig zu wissen ist, dass die meisten Antiepileptika in der Schwangerschaft das Ungeborene schädigen. So lange solche Medikamente eingenommen werden, darf keine Schwangerschaft eintreten. Da Antiepileptika aber auch die Wirksamkeit von hormonalen Verhütungsmitteln ("Pille") vermindern, muss die Schwangerschaftsverhütung gegebenenfalls durch ein Kondom oder Pessar ergänzt werden.